Zwischen Hype und Realität: Warum Blockchain, DLT und Krypto jetzt ernsthaft in der Finanzwelt ankommen

Blockchain, Distributed Ledger Technology (DLT) und Kryptowährungen wie Bitcoin – das sind Begriffe, die lange Zeit irgendwo zwischen technologischem Buzzword und spekulativem Hype schwebten. Doch inzwischen ist klar: Hinter diesen Technologien steckt mehr als ein kurzfristiger Trend. Sie verändern Strukturen, Prozesse und Denkweisen – auch und gerade in der Finanzwelt.

Um zu verstehen, warum das so ist, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Grundlagen:

  • DLT bezeichnet eine Technologie, bei der Transaktionen nicht mehr zentral, sondern verteilt gespeichert und validiert werden.
  • Eine Blockchain ist eine spezielle Form davon, bei der Daten in Blöcken verkettet und kryptografisch gesichert werden.
  • Und Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind zwei – wenn auch sehr sichtbare – Anwendungen dieser Technologie. Die technischen Abläufe dahinter können weit mehr als nur Krypto: In der Theorie eröffnen sie neue Wege, Banking moderner, transparenter und näher am Kunden zu gestalten. Ein Beispiel dafür sind automatisierte Prozesse mithilfe sogenannter Smart Contracts, also digitaler Verträge, die sich selbst ausführen, sobald vorher definierte Bedingungen erfüllt sind. Durch solche Smart Contracts würden sich Zahlungen, Vertragsabschlüsse oder auch Kreditvergaben effizienter, sicherer und ganz ohne manuelle Zwischenschritte abwickeln lassen.


Mit der EU-Verordnung MiCAR (Markets in Crypto-Assets Regulation) wurde 2023 erstmals ein verbindlicher Rechtsrahmen für Krypto-Assets geschaffen. Die Verordnung definiert klare Regeln für Anbieter und Emittenten, sorgt für Transparenz sowie Verbraucherschutz und ebnet damit den Weg für Banken, sich in diesem Markt zu bewegen. Während MiCAR viele Hürden schafft, ist sie zugleich ein Befreiungsschlag: Endlich wissen Institute, worauf sie sich regulatorisch einlassen.

Institute wie die dwpbank, die DekaBank oder auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) positionieren sich ebenfalls in diesem Themengebiet. So hat die dwpbank mit ihrer Plattform wpNex einen Grundstein für Banken und Sparkassen gelegt, um deren Kunden künftig den Handel mit Krypto-Assets zu ermöglichen. Die DekaBank hat sich eine Kryptoverwahrlizenz gesichert und könnte sich zukünftig als Full-Service-Provider für den Kryptohandel von Sparkassenkunden positionieren, während die LBBW bereits erste Wertpapiere über die Blockchain emittiert hat. Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) äußerte sich hierzu und will Sparkassenkunden den Handel über die Sparkassen-App in einem regulierten Rahmen und beratungsfrei ermöglichen.

Everything Crypto?

Ein klares NEIN. Auch wenn es den Anschein erwecken mag, dass hinter diesen Technologien nicht mehr als Bitcoin und Co. stehen, erschließt sich bei genauerer Betrachtung eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten und Effizienzpotenzialen.

Welche Möglichkeiten würden sich für Sparkasse ergeben? Lassen Sie uns ein Gedankenspiel wagen:

1. Interne Prozesse – Transparenz und Nachvollziehbarkeit

DLT kann nicht nur Produkte verändern, sondern auch interne Abläufe effizienter und sicherer gestalten. Durch die unveränderliche Protokollierung aller Transaktionen lassen sich Prozesse wie Freigaben, Abstimmungen oder Prüfungen automatisieren und lückenlos nachvollziehen. So könnten etwa interne Kontrollsysteme, Compliance-Prozesse oder die Dokumentation von Anlageentscheidungen künftig auf einer Blockchain geführt werden – revisionssicher und jederzeit überprüfbar. Für Sparkassen, die täglich mit komplexen Prüf- und Freigabeschleifen arbeiten, könnte dies eine erhebliche Entlastung bedeuten.

Zudem eignet sich DLT für eine verbesserte Datenintegrität im Meldewesen und in regulatorischen Prozessen. Informationen ließen sich zwischen Instituten, Verbänden oder Aufsichtsbehörden sicher und synchron teilen, ohne dass zentrale Datenbanken notwendig wären. Das reduziert Schnittstellenprobleme und schafft Vertrauen in die Datenqualität.

2. Legitimation und Identifikation – GwG-konform und effizient

Ein weiteres Einsatzfeld könnte die digitale Identität sein. Die Anforderungen des Geldwäschegesetzes (GwG) machen die Identifikation von Kundinnen und Kunden oft aufwändig. DLT-basierte Identitätslösungen, wie sie derzeit in mehreren europäischen Projekten getestet werden, könnten diesen Prozess vereinfachen. Ein einmal verifizierter Identitätsnachweis könnte auf einer vertrauenswürdigen Blockchain gespeichert und von verschiedenen Instituten verwendet werden – natürlich unter Wahrung der Datenschutzvorgaben.

Für Sparkassen, die eine hohe Zahl an Neukunden- und Legitimationsprozessen abwickeln, wäre das ein enormer Effizienzgewinn. Denkbar sind Lösungen, bei denen Kundinnen und Kunden ihre Identität sicher digital hinterlegen und künftig auch bei neuen Vertragsabschlüssen – etwa Krediten oder Anlageprodukten – wiederverwenden können. Die Basis dafür sind sogenannte „Self-Sovereign Identities“ (SSI), die aktuell in der EU im Rahmen des Projekts European Digital Identity Wallet vorangetrieben werden.

3. Automatisierte Freigabeprozesse durch Smart Contracts

Ein weiteres Einsatzfeld für DLT liegt in der Automatisierung interner Abläufe mithilfe von Smart Contracts. In der Praxis könnten solche Smart Contracts beispielsweise in internen Freigabe- oder Genehmigungsprozessen eingesetzt werden, etwa bei einer Kreditbewilligung, einer Mittelvergabe oder bei Beschaffung und anderen Vorgängen, an denen mehrere Abteilungen beteiligt sind.

Sobald alle erforderlichen Überprüfungen und Freigaben digital erteilt wurden, könnte der Smart Contract automatisch die nächste Prozessstufe auslösen – etwa die Buchung, Benachrichtigung oder Dokumentation. Das reduziert Abstimmungsaufwand, beschleunigt Entscheidungen und sorgt zugleich für eine transparente, unveränderbare Nachvollziehbarkeit aller Schritte.

Gerade im Zusammenspiel mit bestehenden Dokumenten-Managementsystemen ließe sich so ein reibungsloser, automatisierter Informationsfluss schaffen – ein klarer Effizienzgewinn.

Was bedeutet das nun für eine Sparkasse?

DLT und Blockchain sind weit mehr als technologische Experimente. Sie können Abläufe verschlanken, neue Produkte ermöglichen und regulatorische Anforderungen unterstützen. Auch wenn der flächendeckende Einsatz in der Sparkassenwelt heute noch Zukunftsmusik ist, spricht vieles dafür, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Die Technologie ist reif, die regulatorischen Leitplanken sind gesetzt und die ersten praktischen Schritte sind gemacht.

Das Potenzial ist hoch und es wird sich in den kommenden Jahren an vielen Stellen bemerkbar machen. Eine frühzeitige strategische Auseinandersetzung schadet also keinesfalls, sie ist im Gegenteil eine möglicherweise notwendige Investition in die Zukunftsfähigkeit der gesamten Finanzwelt.

Sie haben Fragen oder möchten mit uns zu diesem Thema in den Austausch gehen? Sprechen Sie uns gerne an – wir freuen uns auf Sie!

Stephan Käther
Teamleiter & Managementberater
Salvatore Mazza
Seniorberater